Q&A Series 2016: Arizona Coyotes
2016-06-08Arizona – etwas mehr als zwei Jahre wird das Team aus der Wüste von General Manager Milan Lechner geführt. Mit viel Aktivität und Engagement wurde der Kader radikalst umgebaut, auch wenn das Management von Zeit zu Zeit an gewisse Grenzen gestoßen ist. Der Stuttgarter spricht in einer weiteren Ausgabe der „Q&A“-Serie über abglehente Trades, Berg- und Talfahrten, aber auch über das „daily business“ als NFHL GM.
Bis kurz vor der Deadline lagen die Arizona Coyotes gut auf Playoff-Kurs. Nach dem Jahreswechsel vollzogen Sie fünf Trades, am Ende ist man am Einzug in die Playoffs gescheitert. Im Nachhinein – warum reißen Sie ein recht gut funktionierendes Team auseinander? Sollte man die Schuld für das Verpassen der „postseason“ auf Management-Ebene suchen?
Das Verpassen der Playoffs war natürlich ein harter Schlag, vor allem nachdem wir uns nominell zur Trade Deadline eigentlich verstärkt hatten und keine Leistungsträger abgegeben wurden.
Im Nachhinein wollte ich wohl zu früh zu viel. Die Mannschaft spielte die ganze Saison besser als erwartet und so erhoffte ich mir durch die Verpflichtung von drei gestandenen Verteidigern, sowie zwei defensivstarken Stürmer die größten Schwachstellen im Team zu beseitigen. Den Effekt den die Trades auf das Klima innerhalb des Teams hatten, habe ich jedoch unterschätzt und deswegen trifft mich ein großer Teil der Schuld.
Letztlich habe ich aber immer mit der Möglichkeit gerechnet die Playoffs nicht zu erreichen und deswegen wurden auch keine vielversprechenden Prospects abgegeben. Zudem wurde mit Jack Johnson ein erfahrener Verteidiger geholt von dessen Erfahrung die jungen Verteidiger wie Slavin und Hanifin die nächsten Jahre profitieren können. Es war also ein kalkuliertes Risiko.
Dennoch werde ich aus den Fehlern dieser Saison lernen. Dasselbe erwarte ich aber auch von meinem jungen Team und Trainer!
„Besser als erwartet“ – will heißen, dass man nicht mit solch starken Performances von Youngstars von Johnny Gaudreau, Mark Stone, Sean Monahan und Alex Galchenyuk rechnen konnte? Vermutlich eine krasse Fehleinschätzung, die man eventuell auf einen gewissen Grad von „Unwissenheit“ bzw. auf mangelnde Erfahrung schieben könnte? Hat man vor der abgelaufenen Saison seine Hausaufgaben nicht gemacht, oder war es einfach nur ein „(un)glücklicher“ Umstand, der Arizona diesen kurzen Höhenflug bescherte?
Doch mit den starken Performances der Youngstars hatte man gerechnet. Nur machen die vier von Ihnen aufgezählten Spieler noch kein Team. Die Schwächen in der Mannschaft sah man, wie bereits erwähnt, in der Verteidigung und in der Tiefe des Kaders.
Im Nachhinein muss man zugeben, dass die Verteidigung besser spielte als erwartet und man deswegen eine, und dabei bleibe ich, überraschend starke Saison spielte.
Diese Fehleinschätzung der Defense könnte man zum Teil auf Unwissenheit und mangelnde Erfahrung schieben, jedoch hatte man sich zu Beginn der Saison bewusst gegen die Möglichkeit, das Team punktuell zu verstärken entschieden, da man dem Team und den Prospects Zeit geben wollte, um in ihre neuen Rollen zu wachsen und sich weiter zu verbessern. Damit hat man natürlich auch dem Management Zeit erkauft um sich in Sachen Strategie und Reihen-Zusammenstellung zu verbessern und mehr Erfahrung zu sammeln.
Sie sehen also, wir wollen in Arizona keine Entscheidungen über das Knie brechen, sondern das Team weiterhin geduldig entwickeln.
Wo soll die Entwicklung hinführen – Fakt ist, sie haben eine Menge an recht gutem und vor allem jungem Material, irgendwann wird für all die Charaktere kein Platz im Aufgebot der Coyotes sein. Ergo wird es zwangsläufig Trades geben, aber wer wird in Arizona als Fundament-Material angesehen? Mit wem plant man auch langfristig?
Das ist richtig, wir haben im Moment sehr viele vielversprechende junge Spieler. Da wird es in Zukunft bestimmt einige harte Entscheidungen geben, weil man sich, auf Grund des beschränkten Platz im Kader, auch von Spielern trennen muss denen eine sehr gute NFHL Karriere bevorsteht. Und auch der Salary Cap wird in den nächsten Spielzeiten zunehmend eine Rolle spielen, ein Problem mit dem ich mich während meiner Amtszeit noch nicht beschäftigen musste. Auch da gilt es neue Erfahrungen zu sammeln.
Grundsätzlich verhandelt man in der Wüste über jeden Spieler. Klar ist jedoch auch, dass die Alterstruktur im Kader stimmen muss. Damit meine ich, dass man mit Gaudreau, Monahan, Galchenyuk, Rakell, Larkin und Stone in der Offensive Spieler in ungefähr demselben Alter hat, um die man versuchen wird eine gute Mannschaft aufzubauen.
In der Verteidigung erhoffe ich mir, dass Ryan Pulock und Josh Morrissey in den nächsten beiden Jahren ihr Potential ausschöpfen und zusammen mit Noah Hanifin und Jaccob Slavin über Jahre eine solide Abwehr anführen.
Am meisten Kopfzerbrechen bereitet im Moment noch die Torhüterposition. Gillies, Saaros und Stolarz haben alle das Potential über Jahre hinweg Starting Goaltenders zu sein, aber wie jeder weiß ist es extrem schwer die Entwicklung von Torhütern vorherzusagen. Ich denke die Chancen sind gut, dass zumindest einer der Torhüter diese Rolle in den nächsten Jahren einnehmen kann. Bis dahin muss man aber entweder mit dem Gespann Hammond/McElhinney weitermachen, oder sich anderweitig nach einer kurzfristigen Lösung umschauen. Eine langfristige "externe" Lösung wird man hier aber im Moment nicht suchen.
Und in einigen Wochen kommt die nächste Welle an Jugend nach Glendale. Beim Entry Draft 2016 halten die Wüstenfüchse sieben Draftrechte in der Hand. Sie gelten als ein General Manager, der recht „sexy“ pickt. Sehen sie das ähnlich und wie weit sind sie in ihren Vorbereitungen? Wie muss man sich die Phase vor den Draft grundsätzlich vorstellen?
Sexy? Das hört sich nach mir an! (lacht)
Nein, Spaß bei Seite. Ich bin natürlich sehr zufrieden mit den letzten beiden Drafts. Vor zwei Jahren war bestimmt eine gehörige Portion Glück dabei, da ich ja noch ganz frisch in der Liga war. Letztes Jahr habe ich dann versucht strukturierter vorzugehen.
Zunächst geht es darum möglichst viel Information aus verschiedenen Quellen über die Spieler zu bekommen, damit man ein möglichst umfassendes Bild bekommt. In diesem Prozess kristallisieren sich meistens schon ein paar Lieblingsspieler heraus, die man gerne ziehen würde. Daraufhin lege ich fest wie viele Stürmer, Verteidiger und Torhüter ich in dem Draft ziehen möchte und lege pro Pick in etwa vier Spieler fest, die ich an dieser Position draften möchte. Letztlich kommt es dann aber am Draft Day auch viel auf das Bauchgefühl an, und ob die gewünschten Spieler überhaupt noch verfügbar sind.
Ob mein "System" überhaupt erfolgreich ist wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Im Moment profitiere ich noch von der fantastischen Arbeit meiner Vorgänger.
Wo sieht man am meisten Handlungsbedarf? Sie sprachen ja selbst an, dass festgelegt wird, wie viele Stürmer, wie viele Verteidiger und wie viele Torhüter man ziehen wird – wo liegt heuer der Fokus? Können sie die Leserschaft auch mit einigen Namen füttern?
Wie bereits erwähnt sehe ich uns in der Offensive stärker aufgestellt, deswegen liegt der Fokus dieses Jahr im defensiven Bereich. Bisher habe ich mich jedoch noch nicht entschieden, wie die Verteilung der Prospects dieses Jahr genau aussehen wird.
Im allgemein finde ich es am einfachsten Stürmer zu evaluieren. Deswegen wird es mir am Draft Day sehr schwer fallen den 11th Overall Pick für einen Verteidiger zu "opfern", vor allem weil ich denke, dass an Position elf von den Spieler McLeod, Jost, Keller und Brown zumindest einer noch zu haben ist und sie alle in meinen Augen ein großartiges Potential haben. Letztlich werde ich die Entscheidung aber erst in letzter Minute treffen und wenn ein Jakob Chychrun dann noch zu haben ist, ist er natürlich herzlich willkommen! (lacht)
Daraufhin geht es dann wahrscheinlich Richtung Verteidigung, auch weil ich es, wie bereits angesprochen, als deutlich schwieriger erachte, Verteidiger und Torhüter zu evaluieren und deswegen fast schon traditionell dazu tendiere Spieler auf diesen Positionen in späteren Runden zu draften. Auch hier habe ich mir schon so meine Gedanken gemacht und einige vielversprechende Talente ausgemacht, möchte mich mit Namen aber zurückhalten um unseren Fans nicht die komplette Spannung am Drafttag zu nehmen.
Sie gelten als einer der aktiveren GMs, schrecken vor Trades nicht zurück und basteln so an der Zukunft ihres Teams. In der nicht allzu fernen Vergangenheit wurden aber zwei Deals seitens der Liga geblockt. Wie nimmt man das in Arizona auf? Ist man bei jedem Trade darauf aus, den Gegenüber „über den Tisch zu ziehen“?
Das ist natürlich jedes Mal ärgerlich, weil man sich auch länger mit dem Trade beschäftigt und am Ende dann die Arbeit zunichte gemacht wird. Ein Trade ist ja immer ein Prozess, bei dem beide Parteien ihre Standpunkte klarmachen und daraufhin versuchen einen Konsens zu finden. Ich denke kein GM akzeptiert einen Trade mit dem er nicht zufrieden ist und die Aufgabe jedes GMs ist es den Trade für sein Team zu beurteilen.
Es ist nicht so, dass ich bei den beiden Trades die GMs über den Tisch ziehen wollte. Das wird schon daraus ersichtlich, dass einmal die Tradeanfrage von der Gegenseite kam (Trade mit den Islanders) und der andere GM ein langer und sehr guter Freund ist mit dem ich mich länger über den Trade ausgetauscht habe (Trade mit den Flyers). Auch er war im Übrigen davon überrascht, dass der Trade geblockt wurde.
Grundsätzlich halte ich es für meine Aufgabe den Trade für mein Team zu evaluieren. Wenn die Ligaleitung dann der Meinung ist, dass der Trade zu einseitig ist, ist es ihr gutes Recht einzuschreiten und ich werde und habe das Urteil bisher auch immer akzeptiert und respektiert. Ich möchte hier auch ganz bewusst betonen, dass die Aufgabe der Ligaleitung bestimmt nicht einfach ist und nur durch ihre tolle Arbeit der Ligabetrieb aufrechterhalten wird.
Für mich heißt es jetzt Mund abwischen und sich wieder an die Arbeit machen, da es immer noch einige Baustellen im Kader gibt.
Sie sprachen die tolle Arbeit der Ligaleitung an – das ist natürlich schön und wird gerne weitergereicht, aber auch die GMs steuern einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Liga so gut funktioniert, wie sie es tut. Da sie nun ja schon etwas an Erfahrung haben – wo sehen sie für sich, aber auch generell den wichtigsten Punkt, den Kern, das Herz des Manager-Spielens? Rückblickend: fanden sie schnell in die Liga rein, was war die größte „Hürde“?
Am meisten Spaß macht mir persönlich an der Liga, dass man einen Grund hat sich mehr mit Eishockey, vor allem dem nordamerikanischen Eishockey auseinanderzusetzen und noch ein paar andere "Verrückte" gefunden hat, die dieselbe Leidenschaft teilen. Und genau diese Leidenschaft und Begeisterung für das Eishockey hält die Liga auch am Laufen.
Das war zu Beginn aber auch die größte Schwierigkeit für mich. Ich war davor schon ein Fan der NHL, vor allem meiner Lieblingsteams im Osten, und kannte ungefähr 90 Prozent der regulären NHL-Spieler der letzten Jahre, aber so gut wie keine Prospects. Als ich die Coyotes übernahm kannte ich deswegen nur circa 10 Spieler in meinem Kader. Und bis man an dem Punkt ist alle eigenen Spieler zu kennen, einschätzen zu können und auch ganz allgemein zu wissen was es z.B. für einen 21-jährigen Stürmer heißt 0,5 Punkte pro Spiel in der finnischen Liiga gemacht zu haben, braucht man einfach Zeit.
Da hat es mir bei den ersten Verhandlungen schon sehr geholfen das mir Sebastian (Oilers) und Wolf (Flyers) immer ihre Einschätzung zu den Trades gegeben haben.
War es für sie schwierig, in die Materie „Prospects“ abzutauchen? Würden sie sagen, dass das Drating & Scouting vermutlich der wichtigste Part des GM-Spielens ist?
Das Abtauchen war nicht schwierig, aber das Auftauchen schon!(lacht)
Am Anfang ist es natürlich nicht leicht, zuerst genügend Quellen für Scouting Berichte zu finden und sie dann auch noch zu bewerten. Ich habe inzwischen aber ein ganz gutes System gefunden, bestehend aus Statistiken und den Depth Charts der NHL-Teams, um relativ schnell einen groben Überblick zu bekommen, wie die Entwicklung eines Spieler ungefähr aussehen wird.
Wenn man über diese erste Einschätzung jedoch hinausgeht kann man sich natürlich beliebig verkünsteln. Es gibt zu manchen Spieler einfach unendlich viele Informationen und Meinungen. Nehmen wir zum Beispiel Sean Day dieses Jahr. Wenn NHL Teams mit 10 bis 20 professionellen Scouts seine Entwicklung nicht vorhersagen können, wie könnte ich mir anmaßen eine genaue Prognose aufzustellen. Deswegen sollte man sich auch immer bewusst sein in welchen Grenzen sich die eigene Prognose bewegt.
Ich halte es deswegen mindestens für genauso wichtig die Simulationsengine gut zu verstehen und die Grundlage auf welcher die Ratings der Spieler entstehen, sodass man eine schlagfertige Truppe zusammenstellen kann.
Ich denke all diese Teile machen das Spielen in dieser Liga so interessant.
Feines Interview. Schöne Fragen, ehrliche und detaillierte Antworten. Macht Spaß zu lesen. Danke an Beide!
Q&A Series 2016: Arizona Coyotes
From trade boundries and rollercoaster performances