Q&A Series 2016: Minnesota Wild
2016-10-09Im Vorjahr traf sich unser Interview-Team mit Minnesota Wild General Manager Pascal Zurbriggen – die Wild haben zum ersten Mal die Playoffs erreicht. Ein Jahr später wurde das sogar noch getoppt. 14 Siege konnten die Wild in den Playoffs feiern, im Finale musste man sich den Ottawa Senators mit 2:4 geschlagen geben. Wie weit rauf will man in der Schweiz noch?
Die Saison hätte Sie fast an das Ziel Ihrer Träume geführt. Erst im Finale wurden Sie von ihrem Schweizer Landsmann und dessen Team aus Ottawa besiegt. Wie sehr schmerzt diese Finalniederlage? Haben Sie das Gefühl, eine einmalige Chance ausgelassen zu haben?
In der Tat kommt, so eine Chance vielleicht nicht so schnell wieder. Zudem praktisch noch eine "Derby-Niederlage", was zusätzlich schmerzt. Nach der ersten Enttäuschung hat doch der Stolz Überhandgenommen. Bei der erst 2. PO-Teilnahme so nahe am Titel. Zumal die Wild bei den Saisonprognosen nicht so stark eingestuft wurden.
Warum hat es schlussendlich nur zu zwei Siegen im Stanley Cup Finale gereicht? In welchen Belangen war der Gegner „besser“ aufgestellt? Klar, an kann stolz auf das Erreichte sein, dennoch sollte man die Gründe für die Niederlage kritisch hinterfragen – tun Sie das.
Natürlich habe ich Ursachenforschung betrieben und einige Kurskorrekturen für die bevorstehende Spielzeit vorgenommen. Dabei habe ich mich aber vorwiegend auf mein Team konzentriert und die Schwachstellen zu eruieren versucht. Einige Topspieler liefen auf dem Zahnfleisch. Der intensive Conference-Final gegen die favorisierten Oilers haben meinen Jungs alles abgefordert.
Das heißt, Ihnen hat in den wichtigen Situationen die Tiefe, einfach die Luft gefehlt. Die Tiefe versuchten Sie mit Trades für Darren Helm und Rick Nash zu vergrößern, am UFA-Markt gaben Sie der Defensive mit den Zugängen Zbynek Michalek und Dan Boyle ein verändertes Gesicht.. Am Ende sehen die Wild an vier Positionen verändert aus – ist das Team aus St.Paul aber nun tatsächlich auch besser aufgestellt, besser für eine bevorstehende Titeljagd gerüstet?
Die Tiefe in der Offensive ist mit Sicherheit größer. Vor allem verfügen wir jetzt über ausgeglichenere Lines. Hinzu kommt noch der Zuzug von Atkinson. Und wer weiß, ob damit die Rosterplanung tatsächlich bereits abgeschlossen ist.
Titeljagd? Bleiben wir mal bescheiden. Schritt eins muss eine solide PO-Qualifikation sein, danach spielen wir Runde für Runde und hoffen, unseren Steigerungslauf der letzten beiden Saisons ausbauen zu können. Aber das Management bleibt realistisch und verfolgt den "Masterplan" konsequent weiter.
Gut – Sie versuchen natürlich eine der Favoritenrollen abzugeben. Fakt ist – Vorjahrsfinalisten zählen meistens zum Anwärterkreis hinzu, ihr Tea, wurde vor allem nicht unbedingt schlechter, somit sollten die Erwartungen recht hoch sein. Warum so wenig Vertrauen in den eigenen, jetzt sogar noch verbesserten Kader? Sie haben doch gesehen, wie knapp Sie an der Hardware dran waren.
Das ist keine Frage des fehlenden Vertrauens als vielmehr eine Grundsatzeinstellung: Bescheidenheit und Demut wird bei uns groß geschrieben. Aber keine Angst, auch wenn unser Head Coach jung ist - er fordert eine starke Leistungskultur. Diese Kombination ergänzt mit dem unbändigen Ehrgeiz des General Managers sollen unsere Franchise langfristig weit oben etablieren.
Jahrelang gab es in der NFHL zu hören, dass der Western die klar stärkere Conference ist – der Titel ging heuer allerdings in den Osten. Wie sehen Sie die Entwicklung der einzelnen Divisions und Conferences?
Das sind doch alles Momentaufnahmen. Für mich zählen auch diese Saison mehrere Teams aus dem Osten zu den absoluten Titelkandidaten. Titelverteidiger Ottawa ist enorm stark besetzt. Philadelphia ist ein absoluter Topkandidat. Mit leichten Abstrichen auch die Pens. Die Red Wings sind defensiv extrem solide - bin gespannt, was der neue GM seinem Team für ein Gesicht geben wird. Oder nehmen wir die Bruins: hervorragend besetzt auf der Mittelposition und hinten sehr solide Defensive. Wer sich im Osten durchsetzt, verdient es definitiv auch, den Cup in die Höhe zu stemmen.
Nicht außer Acht zu lassen sind aber die großen Zukunftshoffnungen, welche sich im Osten tummeln: Wenn sich die jungen Spieler beispielsweise bei den Devils oder Maple Leafs wunschgemäß entwickeln... und ich könnte da noch andere Teams anfügen.
Im Westen ist aktuell die Qualität hoch. Vieles ist möglich. Alles wohl eine Spur ausgeglichener als im Osten. Absolute Topteams wie die Oilers oder Blackhawks gehören alljährlich zu den Mitfavoriten. Dazu unbequem zu spielende Blues, die jedem Team alles abverlangen.
Fazit: Die Conferences und Divisions sind wie sie sind und das ist durchaus gut so. Lamentieren wir nicht über nicht veränderbare Umstände und konzentrieren wir uns auf das, was wir beeinflussen können!
Wieder zurück zu Ihrem Team – studiert man den Kader, so wird es in sehr naher Zukunft zu einem Umbruch kommen müssen. Viele Spieler sind bereits in einem fortgeschrittenen Alter, andere werden zu „unrestricted free agents“. Ich lehne mich aus dem Fenster und sage, dass man gerade in der Offensive diese freiwerdenden Plätze nicht mit eigenen, qualitativ guten Nachwuchs besetzen wird können. Wie plant man in Minnesota? Oder drängt man diese Gedanken vorerst in eine dunkle Ecke?
Definitiv wird diese Tatsache nicht verdrängt. Ganz im Gegenteil. Aktive Rosterplanung läuft. Klar ist aber, dass die Abgänge von Zetterberg, Filppula, Nash und Franzen schmerzen werden. Nächste Saison wird mit Sicherheit Pulkkinen nachrücken und einige Hoffnungsträger wie beispielsweise Compher sind in Lauerstellung. Aber sehen sie, der Kern um Tavares, Giroux, Wingels, Granlund und Atkinson bleibt bestehen. Ergänzt mit einem Helm, Frolik, Nestrasil und einer aktiven Offseason. Ich bin eigentlich sehr zuversichtlich, dass die ganzen Abgänge das Team nicht aus der Erfolgsspur werfen.
Eine aktive „offseason“ ist aber auch immer ein zweischneidiges Schwert – eine Garantie, dass man auf dem UFA-Markt die gewünschten Spieler erhält gibt es nicht – teure Trades könnten die Zukunft ebenso gefährden. PLUS: der Expansion Draft wird die Liga nochmal ordentlich durchwürfeln. Wie bereitet man sich in Minnesota auf die richtungsweisende Offseason im kommenden Jahr vor?
Die Abgänge dieser Spieler geben auch sehr viel Salary frei. Zudem sehe ich den Expansionsdraft als Chance. Einige Teams könnten mangels fehlender Planung Panikverkäufe tätigen. Zudem wird bereits während der Saison aktiv die Zukunft geplant. Spieler des eigenen Teams wie auch mögliche Zuzüge sind auf dem Radar und werden beobachtet. Personelle Anpassungen während des Jahres sind nicht auszuschließen. Aber alles mit einem Blick auf die eigene Planung und ohne Veränderungsdruck.
Personelle Anpassungen – wo würde der erfahrene General Manager Pascal Zurbriggen den Hebel ansetzen? Wo sehen Sie noch etwaige Schwachstellen ihres Teams?
Ich fahre schon seit Jahren mit 2 ähnlich starken Goalies, wobei beide nie wirkliche Nummern 1 waren. Richtige Strategie? Zudem möchte ich mein Team noch mit mehr Intensität spielen sehen. Was aktuell fehlt, ist ein zuverlässiger, erfahrener 4th Center. Und wenn sich für den Nachwuchs noch eine Möglichkeit ergibt, bin ich nicht abgeneigt. Die Mischung machts halt aus. Deshalb habe ich den Fokus auf die Altersstruktur gerichtet.
Warum hat man nicht versucht, via FA eine klare #1 zu holen?
Bisher sind wir mit der "Teilzeit-Lösung" sehr gut gefahren. Das Vertrauen in die Keeper ist sehr hoch. Ob richtig oder falsch - wir halten an der bisherigen Strategie fest.
Die Wild finden an der Nordsee eine Wunderlampe und haben drei Wünsche für die NFHL frei - was machen Sie?
Als Erstes wünsche ich der NFHL und deren GMs noch viele harmonische Jahre und viel Erfolg. Natürlich kommt anschliessend auch mal der Wunsch nach einem Stanley Cup für meine Wild. Abschliessend könnte ich jetzt eine Vielzahl von Spielern nennen, die ich unbedingt in meinem Team haben möchte. Aber ich beschränke mich jetzt mal auf Dylan Larkin.
Warum ausgerechnet der junge Center? Warum kein - äh - Connor McDavid? Es gäbe doch eine Vielzahl an geilen Spielern.
Hab ich nicht schon erwähnt, dass in unserer Franchise Bescheidenheit und Demut Einzug hält...
Vom „Bottom-Feeder“ zum Finalteilnehmer – in Minnesota hat man alles mitgemacht. Was hat aber diese massive Trendumkehr bewirkt?
Nach anfänglicher Euphorie mit einem jungen Team die Liga in einigen Jahren zu rocken, kam irgendwann nach einer längeren Unterhaltung mit einem "Mentor" die Erkenntnis, dass meine Strategie eher nicht fruchten wird. Also wurde rund um einen kleinen Kern von Spielern, welche praktisch unantastbar sind, ein Team aufgebaut. Inzwischen sind die Wild durch Trades und UFA-Signing nicht nur älter, erfahrener, kräftiger und teurer als damals. Sondern auch viel ausgeglichener in der Altersstruktur und in den einzelnen Skills. Trotz allem ist ein Team nie auf dem Maximallevel. Alles kann noch etwas schneller, präziser, intensiver und erfolgreicher umgesetzt werden. Wir arbeiten täglich daran.
Sind Schweizer GMs besser, stärker als die anderen? Vier Teams werden von Schweizern betreut, alle vier schafften es in die Playoffs – Zufall?
Sprechen die Resultate hier nicht für sich?