Q&A Series 2016: Toronto Maple Leafs
2016-08-08Von Anfang an dabei, stets ein Team, mit dem man rechnen muss, doch heuer folgte der Absturz, der Fall bis auf Rang 22 im Gesamtranking. Keine Playoffs, kein 1st Round Pick, doch der erfahrene GM Andreas Schuster bleibt ruhig, Erfahrung ist halt doch Trumpf. Im ersten Interview der bereits drei Jahr alten Serie spricht der Süddeutsche über eigenartige Draftergebnisse, frustrierende Tradeverhandlungen, aber auch über Stolz über Eigengewächse, die jahrelang zum Kern des Teams zählten/zählen.
87 Punkte hatten die Toronto Maple Leafs, eines der prestigeträchtigsten Teams der NFHL-Historie nach Ablauf der Saison 18 auf dem Konto. Was ist nur aus der einstigen Qualitäts-Hochburg in Ontario passiert? Fand man bis dato handfeste Gründe für das totale Versagen des Teams?
Es gibt viele Gründe. Zum einen waren wir - so banal das klingt - vorn zu harmlos und hinten zu anfällig. In weiten Teilen haben wir selten eine ordentliche Chemie zusammen bekommen. Das ist auch ein Grund, warum wir den Trainer gewechselt haben. Aber man muss auch sagen, dass es die erste volle Saison nach Claude Giroux als Leader war. Und zum anderen ist unsere schwache Saison auch ein Indikator dafür, dass die Liga viel näher zusammen gerückt ist. Und dann entscheiden immer mehr Nuancen. Bei unserem Stanley Cup Sieg waren wir die Glücklichen. Und ich meine das ernst: Glück gehört auch dazu. Diesmal hat das Glück oft gefehlt.
Sie haben keine ordentliche Chemie zusammen bekommen, haben nun Darryl Sutter an der Bande stehen, der Kader blieb aber weitestgehend unverändert bzw. man möchte meinen, nach so einem Abschneiden sollten mehr Köpfe rollen. Kann man das als Galgenfrist für einige Spieler interpretieren oder sind Sie weiterhin von Ihren Schützlingen überzeugt?
Im Sport, nicht nur im Eishockey, hat Aktionismus selten Erfolg. Einmal wird Beständigkeit gelobt, dann rollen zu wenig Köpfe. Es wird nie möglich sein, es allen Recht zu machen. Fakt ist: mit Max Domi, Derick Brassard und Bryan Little haben wir frisches Blut bekommen. Eine komplette Bluttransfusion wird es nicht geben. Einen Umbruch wird es zwangsläufig in nicht allzu ferner Zukunft geben: der Vertrag von Joe Thornton läuft aus. Und Brent Burns und Dustin Byfuglien sind auch keine 25 mehr. Aber: sie sind in Topform. Jetzt müssen wir das hinbekommen, was letztes Jahr gefehlt hat: Chemie. Auch mit unseren Neuen.
Burns und Byfuglien – Namen, die heuer sogar auf Ihrem Tradeblock standen. Warum ist das passiert, wenn sie so wichtige Spieler sind? Wollte man nur deren Wert ausloten oder gab es in der Tat ernsthafte Verhandlungen mit anderen Teams?
Es gab Anfragen, aber nichts Konkretes. Bei einem sehr guten Angebot hätten wir in Betracht gezogen, möglicherweise früher neu aufzustellen. Aber zum Glück liegt diese Entscheidung in unserer Hand. Und so war es am Ende, wie bei vielen anderen Teams auch, ein Werte-Ausloten. Unter dem Strich waren wir uns teamintern einig, dass der Wert eines Brent Burns für das Team höher ist, als das was geboten wird.
Kommen wir auf das Endresultat der letzten Saison zurück. Keine Playoffs, Platz 22 – normalerweise ist der Trostpreis einer miserablen Saison ein guter Draftpick. In Toronto gab es den nicht, denn der 1st Round Pick lag in Montreal. Vor 13 Monaten tradete man den heurigen 9th Overall Pick einen 1st Rounder 2015 – Stand Jetzt: Anthony Beauvillier vs Olli Juolevi. Wie blickt man heute auf den Trade zurück?
Wir haben Platz 22 so nicht einkalkuliert, das ist kein Geheimnis. Und Montreal war stärker als gedacht. Kurzum: Pech gehabt. Thats's the game. Einmal verlierst du, einmal gewinnst du. Aber vielleicht können wir ja auf diese beiden Spieler in 6 oder 7 Jahren noch einmal zurückkommen. Es ist ja durchaus denkbar, dass die Draftposition nicht immer 1:1 die Karriere eines Spielers widerspiegelt. Sonst hätten es Jaroslav Halak und Dustin Byfuglien als Picks Nr. 197 und 202 sicher nie auch nur in den Profibereich geschafft.
Man gewinnt – das könnte man als Titel anführen, wenn man Toronto’s Draftgeschichte auf der Goalie-Position analysiert. Warum hat man da so ein gutes Händchen? Verbringt man viel Zeit mit Torhüter-Scouting?
Ich bleibe auch hier dabei: es braucht auch Glück. Hätten wir gewusst, was aus Jaroslav Halak wird, dann hätten wir ihn sicher nicht in Runde 7 gezogen, sondern früher. Gleiches gilt für Petr Mrazek, der sich ja auch blendend entwickelt hat. Aber offenbar haben wir hier ein Scouting-Team, das ein gutes Auge hat. Auf der anderen Seite haben wir zunehmend weniger Goalies gezogen in den letzten Drafts. Das liegt auch daran, dass der Goalie-Markt in der NHL sich geändert hat. Ich würde sagen, er ist unbeständiger geworden. Schwerer vorherzusagen.
Rychel, Sbisa, Leblanc, Repik – in Runde 1 hatten Sie aber dann durchaus – sagen wir – Pech? Generell vermisst man beim Blick auf Ihre Drafthistory DEN Franchise-Pick, auch wenn man Corey Perry an 38 als Lotto-Sechser einstufen könnte. Warum aber dieses „regelmäßige Danebengreifen“ in Runde 1?
Von den genannten Picks war nur Sbisa ein Top10-Pick. Aber ich weiß nicht ob wir da übermäßig schlecht gedraftet haben. Im Fall von Rychel zum Beispiel weiß ich nicht, ob die Picks danach besser gewesen wären, also Morgan Klimchuk, Joshua Morrissey oder auch Frederik Gauthier oder Ian McCoshen. 2009, im Draftjahr von Leblanc folgten danach noch Jungs wie Jordan Schroeder, Landon Ferraro, Peter Holland oder Philippe Paradis. Mit Matt Dumba aber, dem 4th Overall aus 2012 sind wir durchaus zufrieden. 2010 haben wir mit unseren ersten beiden Picks Charlie Coyle und Brock Nelson gezogen. Ich denke wir haben unter dem Strich vielleicht nicht das glücklichste Händchen gehabt, aber sicher nicht das schlechteste.
„Mit Toronto zu traden ist schwierig“ – pflügt man durch die vollzogenen Trades, so fällt auf, dass Toronto tradet, aber nicht in der Häufigkeit wie andere. Ist es tatsächlich schwer mit Toronto zu traden? Sie haben den Ruf, ein sehr harter Verhandlungspartner zu sein, auch nicht von ihrer Linie abweichen und oftmals mit sehr „niedrigen“ Angeboten starten. Wie sehen Sie das?
Wer bezeichnet sich selbst als weichen Verhandlungspartner? Ich weiß auch nicht, ob man von der Häufigkeit von Trades etwas ableiten kann. Bei vielen Spielern ist das Interesse an Trades zugegebenermaßen auch gering bzw. die Hürde entsprechend hoch. Das mag auch daran liegen, dass ich gerne selbst gedraftete Spieler im Kader habe. Boone Jenner etwa wird die Leafs mit 99%iger Wahrscheinlichkeit nicht so schnell verlassen. Und ob ich mit "sehr niedrigen Angeboten" starte? Ich bekomme selbst oft genug Angebote, die ich nicht so so niemals abgegeben hätte, weil zu niedrig. Was zu hoch und zu niedrig ist, entscheidet am Ende nicht nur einer allein.
Im Übrigen: ich glaube, dass ich früher ein unangenehmerer Verhandlungspartner war.
Was ich aber feststelle, ist das Zusagen mittlerweile offenbar nicht mehr viel gelten. In einem Fall ging es um einen Trade, bei dem wir uns einig waren. Wort drauf. Die Absage folgte zwei Tage später. Ohne Begründung. Das halte ich für fraglich.
Könnten auch gerade solche negativen Ereignisse dafür sorgen, dass Sie oftmals mit gemischten Gefühlen in Tradegespräche starten? Oder versuchen Sie, da immer vollkommen nüchtern und mit freien Gedanken rein zu gehen?
Nein, diese Erfahrungen habe ich leider verstärkt erst in dieser Offseason gemacht. Ich kann mich für weitere Verhandlungen davon frei machen. Es gibt ja auch noch viele, viele verlässliche GMs, bei denen das Wort genauso gilt, wie das immer war.
In der All-Time Tabelle finden sich die Maple Leafs in den Top 5 wieder. Sie sind vom ersten Faceoff an beim Team, haben starke Teams auf Eis geschickt und dafür gesorgt, dass Toronto über Jahre hinweg ansehnliches Eishockey bekommt. Wie bekommt man sowas hin? Wie würden Sie die letzten 15 Jahre NFHL resümieren?
Ich denke dass eine Franchise immer von Kontinuität im Management profitiert. Leider ist das nicht immer möglich, aus verschiedensten Gründen. Wir haben in Toronto über all die Jahre versucht oben mitzuspielen, ohne alles komplett auf eine Karte zu setzen. Da komme ich wieder zum Faktor „Glück“: ohne geht nicht. Du hast mit dem besten Team keine Garantie den Titel zu holen – und kannst in den Playoffs trotz durchwachsener Vorrunde noch weit kommen. Diese Rechnung ist bei uns zwei Mal aufgegangen. Und ich bin der Meinung, dass wir trotz einer historisch schlechten Saison heuer schon wieder für Furore sorgen könnten. Könnten!
Diese Kontinuität hat zu zwei Cups geführt - somit kann man Ihre Arbeit definitiv als positiv, gelungen, was auch immer betiteln. Sind Sie auch ein klein wenig stolz, auf das Erreichte?
Stolz bin ich, wenn ich über einen selbst gedrafteten Spieler sagen kann, dass er zum Stammspieler und Leistungsträger geworden ist und ich vom Drafttag über viele Jahre hin immer den Glauben behalten habe, dass er es packt. Ein Titel bzw. Cup ist dann die konzentrierte Form dieses Stolzes. Vor allem wenn Eigengewächse im Kader stehen - und nicht eine Söldner-Truppe, die größtenteils aus Free Agents besteht.
Als eines von nur mehr zwei aktiven Gründungsmitgliedern sind Sie natürlich auch in der Ligaleitung vertreten und somit auch am Funktionieren der Liga sehr interessiert. Wie schätzen Sie die Saison in der NFHL ein? Was hat sich seit Tag 1 verändert? Was positiv, was negativ?
Die Liga ist deutlich professioneller geworden. Aus verschiedenen Gründen. Und bei verschiedenen Aspekten: etwa was die Ausgeglichenheit angeht. Das alles in zwei, drei Sätze zu packen ist kaum möglich. Aber dass sich eine Liga weiterentwickelt ist gut, nur so kann sie bestehen bleiben. Und man muss natürlich auch sagen, dass jeder GM der über die Jahre dabei war, sich verändert hat. Das ist ganz normal: Ich bin jetzt 14 Jahre in der Liga. Das ist fast mein halbes Leben. Irre! Der Draft 2002 war mein erster. Die Historie der Liga macht mich stolz, bzw. stolz ein Teil davon zu sein. Es gibt keine bessere Liga im deutschsprachigen Raum.
Wie erklären Sie sich, dass seit einigen Jahren immer ein paar Teams von der Liga mitbetreut werden müssen?
Die Rücktritte von GMs hatten verschiedene Gründe. Teils waren wir seitens der Ligaleitung auch zum Wohl eines Teams, Stichwort Inaktivität, auch gezwungen zu handeln. Das ist traurig, aber leider oft eben unvermeidlich. Auch weil die NFHL eine professionelle Liga ist. Professionalität geht nicht ohne ein gewisses Maß an Komplexität. Wir brauchen also GMs, die mit Herzblut dabei sind. Bevor wir ein Team also in die nächstbesten Hände geben, bleibt eine Franchise eben lieber mal zwei, drei Wochen länger in Händen der Ligaleitung. Das ist besser als zwei halbe Umbrüche durch neue GMs, die dann schnell wieder weg sind. Da sind wir auch wieder beim Thema Kontinuität.
In der kommenden Offseason kommt es zu einem Novum. Die Liga wird erweitert, Team 31 wird das NFHL-Bankett betreten. Wie bereitet man sich in Toronto bzw. in der Außenstelle in Nürnberg darauf vor? Steht das Management schon in tiefen Vorbereitungen und Beratungen?
Wir haben uns bereits informiert wen wir zu schützen haben. Und auch darüber, wen wir schützen wollen. Aber das ist natürlich noch nicht endgültig. Unser Vorteil ist, dass wir ohnehin ein, zwei auslaufende Verträge haben, etwa den von Joe Thornton oder Mark Stuart. Andere sind nur noch ein Jahr mit dabei: Brent Burns etwa. Oder Jaroslav Halak. Ich bezweifle, dass die beiden für ein Expansion-Team interessant sind. Denn ein Jahr später wäre er UFA. Von daher: wir sind zeitlich im Soll und unsere Kaderstruktur ist gut gerüstet. Mit einem jüngeren Team vor 2-3 Jahren hätte uns der Expansion-Draft härter treffen können. Aber da sind wir wieder beim Thema Glück. In diesem Fall haben wir Glück. So sieht es jedenfalls momentan aus.
Abschließend: blicken Sie auf Ihre jungen, hoffnungsvollen Spieler und in die Kristallkugel – welche Spieler wird man auch in fünf Jahren in „blue and white“ zu sehen bekommen und wo wird Toronto im ligaweiten Vergleich angesiedelt sein?
In der Summe denke ich nicht, dass wir zu den Topteams gehören werden. Mit nur einem Top10-Pick in den Drafts der vergangenen 10 Jahre ist das auch kaum möglich. Toll wäre es, wenn wir uns wieder fester in den Playoff-Rängen festbeißen und dann punktuell in der Endrunde für Schlagzeilen sorgen. Ich denke das ist eine realistische Sichtweise. Was einzelne Spieler angeht bin ich bei Max Domi sehr optimistisch. Ebenso bei Petr Mrazek, was die weitere Karriere angeht. Auch Andre Burakowsky hat Luft nach oben. Im Bereich der Prospects bin ich gespannt auch Laurent Brossoit – er ist ein weiterer Goalie aus der Leafs-Pipeline, auf den ich sehr gespannt bin. Auch von Anthony Beauvillier erwarte ich mir noch etwas – aber da ist es wohl noch zu früh für Prognosen.